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Warum Freiheit einen freien Markt für Geld braucht…

Von  Prof. Dr. Thorsten Polleit

Einleitung

„Wahre Macht wird erreicht, wenn die herrschende Klasse die materiellen Lebensgrundlagen kontrolliert und sie den Massen gewährt und vorenthält, als wären sie Privilegien.“¹ So schrieb George Orwell. Vermutlich werden sie zustimmen, wenn ich Dinge wie Nahrungsmittel, Kleidung und Energie zu den „materiellen Lebensgrundlagen“ zähle.

Gehört das Geld auch dazu? Ich sage ja. Denn die menschliche Zivilisation, ihr materieller Wohlstand hängt entscheidend von der Geldverwendung ab. Geld dient uns als Tauschmittel, als Recheneinheit, als Wertaufbewahrungsmittel. Vor allem aber setzen wir es für die Wirtschaftsrechnung ein. In einer Geldwirtschaft wird der Tauschwert aller Güter in Geldeinheiten ausgedrückt. Nur so wird es uns möglich, eine Renditerechnung anzustellen. Mit ihr lässt sich herausfinden, was sich lohnt und was nicht; was besonders dringlich ist und produziert werden soll, und was weniger wichtig und verzichtbar ist.

Ohne die Verwendung von Geld wären unser Wohlstand und unsere hochgradig arbeitsteiligen Volkswirtschaften, die es vermögen, Milliarden von Menschen zu ernähren und zu behausen, ihnen eine humane Existenz zu ermöglichen, nicht denkbar.

Freiheit

Geld ist auf das Engste mit unserer Freiheit verbunden. Das geflügelte Wort „Geld ist geprägte Freiheit“ deutet das bereits an.

Aber fragen wir zunächst: Was ist Freiheit? Auf diese Frage gibt es bekanntlich eine ganze Reihe von Antworten. Ich will eine formulieren mit Rückgriff auf die Handlungslogik. Sie lautet: Deine und meine Freiheit bedeutet, dass du und ich Eigentum am eigenen Körper, dass wir Selbsteigentum haben; dass du und ich zudem Eigentum beanspruchen können an den externen Gütern, die wir uns in nicht-aggressiver Weise (also ohne Verletzung des physischen Eigentums anderer) aneignen; …

… dass du und ich mit unserem Eigentum machen können, was wir wollen – solange wir dabei die physische Integrität des Eigentums unserer Mitmenschen nicht verletzen.

Diese Definition der Freiheit gilt a priori – man kann ihr nicht widersprechen, ohne dadurch einen Widerspruch zu verursachen, also etwas Falsches zu sagen. Denn das Eigentum selbst ist ein Apriori: Es ist eine Kategorie, ein nicht wegzudenkender Grundbegriff des menschlichen Handelns. Zudem sind das Eigentum und damit auch die Freiheit ethisch fest begründet. Der unbedingte Respekt vor dem Eigentum erfüllt den Universalitätsanspruch, er gilt für dich und mich und für alle Menschen gleichermaßen heute, morgen und zu aller Zeit; und er ermöglicht zudem prinzipiell das Überleben aller, die ihn akzeptieren.

Wenn die Freiheit in dieser Weise (also über das a priori des Eigentums) begriffen wird, dann schließt sie Herrschaft aus – dass also irgendjemand einen anderen zwingen darf (durch Gewalt oder ihre Androhung), seinem Willen, seinen Befehlen zu folgen. Die Freiheit (wie ich sie handlungslogisch über das Eigentum konzeptualisiert habe) kennt nur freiwillige Kooperation: Du bietest mir etwas an, und ich nehme das Angebot an – oder auch nicht.

Geldmonopol

Sie werden jetzt vielleicht sagen: Das mag ja alles gut und richtig sein mit der Freiheit, wenn es um Güter geht wie Brot, Schuhe, Computer, Urlaubsreisen. Doch gilt das auch für das Geld? Oder braucht es hier nicht doch vielleicht Einschränkungen Deiner und meiner Freiheit? Die Antwort ist nein. Ich will das näher begründen.

Das Geld (das allgemein akzeptierte Tauschmittel) ist ein Gut wie jedes andere Gut auch. Es hat lediglich die Besonderheit, dass es dasjenige Gut ist, das die höchste Liquidität besitzt: Geld ist das Gut, das sich am einfachsten gegen andere Güter eintauschen lässt. Nun ist allerdings das Geld, das wir heutzutage verwenden, nicht das Ergebnis einer freiwilligen Übereinkunft von dir und mir (oder etwa eines freiwillig geschlossenen Vertrages zwischen deinen und meinen Vorfahren). Vielmehr haben sich die Staaten (die sich ebenfalls nicht auf das Prinzip Freiwilligkeit gründen) das Geldproduktionsmonopol durch Zwang und Gewalt verschafft. Das zeigt der Blick in die Theorie der Geldentstehung.

Entstehung des Geldes

Der deutsche Ökonom Georg Friedrich Knapp (1842-1926) schrieb in seinem Buch „Die Staatliche Theorie des Geldes“ aus dem Jahr 1905, das Geld sei eine staatliche Erfindung: Der Staat, dank seiner Macht und Güte, sei derjenige, der das Geld in die Welt gebracht hat und seinen Wert erhält. Ganz anders die Theorie, die Carl Menger (1840-1921) bereits 1871 in seinem Buch „Grundsätze der Volkswirtschaftslehre“ vorgelegt hatte – und die übrigens von Knapp mit keiner Silbe in seinem Buch gewürdigt wird.

Menger erklärte, dass das Geld spontan aus dem freien Markt entstanden ist, aus dem wohlverstandenen Eigeninteresse der Marktakteure, und zwar aus einem Sachgut – vorzugsweise Edelmetall, das die Menschen freiwillig als Geld auswählten. Der US-amerikanische Soziologe David Graeber (1961-2020) hat ähnlich wie Carl Menger argumentiert: Graeber zufolge ist das Geld im freien Markt entstanden, wenn auch aus Kredittransaktionen – während Menger meinte, dass das Geld aus dem Tausch von Gut gegen Gut in der Gegenwart hervorgegangen ist.

Im Jahr 1912 gab Ludwig von Mises (1881-1973) Carl Mengers Theorie der Geldentstehung eine (handlungs-)logische Begründung, und zwar mit dem Regressionstheorem. Es besagt, dass ein Gut, bevor es zum Geld gewählt wurde, bereits einen Marktwert gehabt haben muss, der sich aus der nicht-monetären Wertschätzung des betreffenden Gutes erklärte; …

  • … dass das Geld aus einem Sachgut entstanden sein muss (wie zum Beispiel Salz, Gewürze, Edelmetalle); …
  • … dass die Menschen das betreffende Gut freiwillig als Tauschmittel, als Geld, ausgewählt haben; …
  • … und auch, dass es logisch inkonsistent ist zu denken, es wäre eine Obrigkeit gewesen, die den Menschen das Geld gebracht hat (so wie etwa Prometheus – gemäß einem anderen Mythos – den Menschen das Feuer zukommen ließ).²

Vom Waren- zum Fiat-Geld

Heutzutage wird kein Sach- beziehungsweise Gold- und Silbergeld mehr verwendet. Das Edelmetallgeld wurde – in einem zugegebenermaßen langen Prozess – ersetzt durch staatlich monopolisiertes Geld, durch staatliches Fiat-Geld. Warum eigentlich?

Eine häufig zu hörende Antwort lautet: Das Goldgeld (um das prominenteste Sachgeld der Menschheit zu nennen) habe nicht gut genug funktioniert, habe immer wieder schwere Krisen verursacht – und wurde deshalb gegen staatliches ungedecktes Geld ersetzt. Doch das kann nicht überzeugen. In der neuzeitlichen Währungsgeschichte hat es einen „reinen“, einen echten Goldgeldstandard nie gegeben. Immer wieder haben Staaten es ganz bewusst zugelassen, dass Banken mit einer Teilreserve operierten, und dass dadurch immer wieder schwere Wirtschafts- und Gesellschaftskrisen ausgelöst wurden.

Beispielsweise war nicht das Goldgeld die Ursache der „Großen Depression“ in den Jahren 1929 bis 1933, sondern staatlich erlaubte Verstöße gegen die Prinzipien des „reinen“ Goldgeldstandards. Auch wird häufig gesagt, dass man das Goldgeld ersetzen musste durch eine andere Geldart, weil es nicht genug Gold auf der Welt gibt. Doch auch dieser Einwand kann nicht überzeugen.

So etwas wie „Geldknappheit“ gibt es volkswirtschaftlich gesehen nicht (wenngleich das Geld für den einzelnen natürlich knapp werden kann). Die Menschen wollen über Kaufkraft verfügen, und dazu halten sie einen Teil ihres Vermögens bei gegebenem Güterpreisniveau in Form von Geld. Wenn die Menschen nun plötzlich mehr Geld halten, also über mehr Kaufkraft verfügen wollen, dann bieten sie verstärkt ihre Güter (wie z. B. ihre Arbeitskraft, Aktien etc.) im Tausch gegen Geld an.

Die Folge ist, dass die Güterpreise sinken, und die reale Kaufkraft des Geldes steigt. Ein neues Gleichgewicht stellt sich ein: Die reale Geldmenge nimmt wie gewünscht zu, obwohl die nominale Geldmenge sich nicht verändert. Kurzum: Der Preismechanismus passt die Güterpreise so an, dass die Menschen immer die gewünschte Kasse halten in Relation zur den Güterpreisen. Das Problem der Geldknappheit ist also keines, es entspringt vielmehr einem irrtümlichen Denken.

Was also ist der wahre Grund, dass wir heute Fiatgeld und nicht mehr Goldgeld haben? Murray N. Rothbard (1926-1995) gibt die Antwort in seinem Buch „What has government done to our money?“ aus dem Jahr 1963. Er zeigt darin auf, dass diejenigen, die über andere herrschen (ob Feudalherren, Könige, Kaiser oder Parlamentarier) das Geldmonopol an sich reißen – und er erklärt auch, wie das im Einzelnen geschieht. Dieser Prozess wurde weltweit spätestens mit der Aufhebung der Goldeinlösbarkeit des US-Dollar am 15. August 1971 abgeschlossen.

Alle bedeutenden Währungen sind seither ungedecktes Geld, Fiat-Geld, ob US-Dollar, Euro, chinesischer Ren-minbi, japanischer Yen, britisches Pfund oder Schweizer Franken. Die Antwort auf die Frage „Warum haben wir heute Fiat-Geld?“ lautet also: weil es dem Staat (wie wir ihn heute kennen) dient.

Macht des Geldes

Das Fiat-Geldmonopol ist mit einer gewaltigen Herrschaftsmacht verbunden. Es dehnt die Finanzierungsmöglichkeiten des Staates extrem weit aus – und damit seine Fähigkeit, sich die Zustimmung beim Wahlvolk sprichwörtlich zu erkaufen. Der Staat kann mit seinem Fiat-Geld das Wirtschaftsgeschehen steuern – die Konjunktur, auch wie sich die Volkswirtschaft strukturell entwickelt. Mit dem reichlich verfügbaren Fiat-Geld kann der Staat immer mehr Menschen von sich abhängig machen. Beispielsweise indem er als Auftraggeber für Firmen auftritt, als Arbeitgeber im öffentlichen Dienst, als Financier der Altersvorsorge. Er kann sich so die Massen wahrlich zu Untertanen machen.

Kriege kann der Staat relativ problemlos durch die Ausgabe von neuem Fiat-Geld finanzieren, und die breite Bevölkerung wird dabei – zumindest anfänglich – über die wahren Kosten des Waffenganges hinweggetäuscht. Sogar Umsturzvorhaben kann der Staat (beziehungsweise die Sonderinteressengruppen, die ihn für ihre Zwecke einspannen) mit seinem Fiat-Geldmonopol recht einfach in die Tat umsetzen – Stichworte sind hier „Great Reset“, „Große Transformation“, „Neue Weltordnung“.

Und selbstverständlich missbraucht der Staat sein Geldmonopol. Die Geldgeschichte zeigt das unmissverständlich. So schreibt etwa Friedrich August von Hayek (1899-1992): “Mit der einzigen Ausnahme der 200 Jahre der Goldwährung haben praktisch alle Staaten der Geschichte ihr Monopol der Geldausgabe dazu gebraucht, die Menschen zu betrügen und auszuplündern.“³

Fiat-Geld bedeutet Unfreiheit

Wäre das staatliche Fiat-Geld die beste aller Lösungen, müsste der Staat es nicht privilegieren (mit Gesetzen und Regularien), nicht die Konkurrenz, die von Seiten anderer Geldarten ausgeht, behindern beziehungsweise aus-schalten. Doch genau das macht er. Er will den Wettbewerb um das beste Geld gar nicht erst aufkommen lassen. Wenn aber das Geld vorgeschrieben wird, das du und ich verwenden müssen, wenn wir keine Wahlmöglichkeit haben, wenn potentiellen Geldanbietern der Marktzugang verstellt wird, dann verletzt das deine und meine Freiheit – und zwar nicht nur unsere Freiheit bei der Geldwahl, sondern das Diktat, Fiat-Geld benutzen zu müssen, zerstört letztlich alle Freiheiten.

Das erkannte Ludwig von Mises hellsichtig bereits im Jahr 1912. Er schrieb: „Es wäre ein Irrtum, wollte man annehmen, daß der Bestand der modernen Organisation des Tauschverkehres für die Zukunft gesichert sei. Sie trägt in ihrem Innern bereits den Keim der Zerstörung. Die Entwicklung des Umlaufsmittels (gemeint: Fiat-Geld, A.d.V.) muß notwendigerweise zu ihrem Zusammenbruche führen.“⁴

Warum aber sollte, wie Mises schreibt, der Tauschverkehr (gemeint ist das freie Marktsystem) früher oder später zusammenbrechen, wenn die Menschen Fiatgeld verwenden? Mises verweist auf die Wirtschafts- und Gesellschaftskrisen, die das Fiat-Geld verursacht. Er denkt, dass die Menschen nicht verstehen, was die Krise ausgelöst hat, und dass sie im Staat die Lösung der Krise erblicken.

Der Staat erhält, so Mises, dadurch immer größere Vollmachten und knebelt Wirtschaft und Gesellschaft mit Ge- und Verboten, Regularien, Gesetzen, Kontrollen, bis das Wenige, das vom freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem noch übrig ist, auch noch abstirbt – und eine kollektivistisch-sozialistische Apparatur entsteht, die den Menschen Elend, Unterdrückung und Gewalt bringt.

Der Drang zur Welt-Fiat-Währung

An der Grundthese scheint etwas dran zu sein. Es ist unverkennbar, dass mit dem Ende des Goldgeldes zu Beginn der 1970er Jahre die westlichen Staaten auf Expansionskurs sind wie nie zuvor in der Geschichte des Westens. Ob gemessen an den Steuereinnahmen im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung, der Zahl der Gesetze und Verordnungen, der Höhe der öffentlichen Schulden, der Größe der Zentralbankbilanzen – der Staat ist auf dem Vormarsch auf Kosten bürgerlicher und unternehmerischer Freiheiten.

Der Staat erkauft sich sprichwörtlich mit seinem Fiat-Geld die Unterstützung der Menschen, korrumpiert sie; und die Krisen, für die das Fiatgeld sorgt, nutzt er, um immer weiter zu expandieren. Fiat-Geld spielt den unfreiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftskonzepten wie Sozialismus und Kommunismus unübersehbar in die Hände. Wer sich an die Unschuldsvermutung klammert, der wird darin eine nicht-intendierte Konsequenz des Fiat-Geldes erblicken; wer sie fallen lässt, der wird ein bewusst herbeigeführtes Ergebnis diagnostizieren.

Wie aber auch immer unsere Interpretation ausfällt: In beiden Fällen gibt es Anlass, die Folgen der Fiat-Geldverwendung bis zum Ende zu durchdenken. Wie bereits angeklungen, mögen Staaten, die Fiat-Geld verwenden, keinen Wettbewerb zwischen ihren Währungen. Denn er engt ihren Missbrauchsspielraum mit der Notenpresse ein: Wenn eine Währung zu stark inflationiert wird, fliehen die Menschen in eine andere, weniger inflationäre Währung. Die Staaten (wir wie sie heute kennen) haben daher einen Anreiz, den Schulterschluss zu üben, ein internationales Fiat-Geld-Kartell zu bilden.

Das kommt beispielsweise in der Idee zum Ausdruck, feste Wechselkurse zwischen den Währungen zu installieren, geldpolitische Kooperation in der Zinspolitik zu betreiben, Liquiditätshilfen zwischen den Zentralbanken zu vereinbaren. Der logische Endpunkt, auf den eine solche Kartellierung der Staaten beziehungsweise deren Zentralbankpolitik hinstrebt, ist die Schaffung einer zentral gelenkten Welt-Fiat-Währung, früher oder später verbunden mit einer Art Weltregierung.

Sie sagen, das sei aber ein wenig weit hergeholt, überspitzt? Nun, im Euroraum wurde die Währungsvereinheitlichung im Kleinen bereits realisiert. 1999 tauschten 11 Staaten ihre Währungen gegen eine supranationale Währung, den Euro ein. Die Hoheit über ihr Geld ging damit an die Europäische Zentralbank – eine Institution, deren Kontrolle den nationalen Parlamenten beziehungsweise den nationalen Bürgern de facto entzogen ist.

Der Währungswettbewerb im Euroraum ist ausgeschaltet. Und was im Kleinen möglich ist, ist prinzipiell natürlich auch im Großen machbar. Vorschläge, wie sich eine Welt-Fiat-Währung aus der Taufe heben lässt, gibt es zuhauf. Die Schaffung des Euro ist dabei quasi die „Blaupause“: Erst bindet man die Währungen mit festen Wechselkursen aneinander, dann fixiert man die Wechselkurse, schließlich wird die nationale Währung in eine supranationale Währung mit neuem Namen eingetauscht.

Zwar ist die Schaffung einer Welt-Fiat-Währung derzeit kein Titelthema in den Medien. Aber der Plan, digitales Zentralbankgeld auszugeben, wird wohl dem politischen Drang nach einer Welt-Fiat-Währung noch großen Schub verleihen. Mit dem Schaffen von digitalem Zentralbankgeld wird nicht nur das Bargeld verdrängt – und ein verbliebenes Fluchtfenster für die Geldverwender geschlossen. Digitales Zentralbankgeld wird sehr wahrscheinlich die verbliebenen privatwirtschaftlichen Elemente des Kredit- und Geldsystems zu Grabe tragen und die staatliche Machtstellung im monetären System auf ungeahnte Größenordnungen bringen.

Sind erst einmal alle Zahlungen nur noch über Konten abzuwickeln, die bei der Zentralbank gehalten oder von ihr eingesehen werden, ist das Verschmelzen der nationalen digitalen Zentralbankgelder in ein einheitliches digitales Welt-Zentralbankgeld ein recht einfaches Unterfangen – und George Orwells „1984“ könnte zu einer fast schon arglosen Schilderung eines totalitären Überwachungsregimes verblassen.

Die Möglichkeit der Umkehr

Die Staaten haben es zwar geschafft, die Hoheit über die Geldproduktion zu erlangen und das Goldgeld gegen ihr eigenes Fiat-Geld zu ersetzen. Aber daraus sollte man nicht schließen, dass derartige Entwicklungen nicht korrigierbar wären. Dazu drei Beispiele aus der Währungsgeschichte.

Erstes Beispiel: In den USA gab es frühzeitig den Versuch, eine Art Zentralbank nach europäischem Vorbild zu errichten. Im Jahr 1791 wurde die First Bank of the United States gegründet. Aber nach 20 Jahren schaffte der US-Kongress sie wieder ab – weil man der Auffassung war, eine solche Institution sei schädlich, befördere Korruption, diene wenigen Sonderinteressengruppen auf Kosten vieler. Im Jahr 1816 gab es einen erneuten Versuch in den USA, eine Zentralbank zu errichten. Aber auch die daraufhin gegründete Second Bank of the United States wurde nach 20 Jahren geschlossen – auf Drängen des US-Präsidenten Andrew Jackson (1767-1845).⁵

Zweites Beispiel: Als gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Napoleonischen Kriege begannen, suspendierte die Bank von England die Gold-Einlösbarkeit des britischen Pfunds. Doch nach 24 Jahren, im Jahr 1821, wurde sie wiederhergestellt und ganz offiziell ein Goldstandard verkündet. Er währte bis 1914, also immerhin 93 Jahre.

Drittes Beispiel: In vielen US-Bundesstaaten wurden in den letzten Jahren die Mehrwert- und Kapitalertragssteuer auf Edelmetalle abgeschafft, um sie als Zahlungsmittel attraktiv zu machen; um Bürgern und Unternehmern Gold- und Silbergeld als Alternative zum US-Dollar zu eröffnen.

Diese drei Beispiele zeigen: (1) Eine einmal errichtete Zentralbank kann auch wieder abgeschafft werden. (2) Eine Abkehr vom Sachgeld bedeutet nicht, dass eine Volkswirtschaft nicht wieder zum Sachgeld zurückfinden kann. (3) Die Idee, dass die Menschen sich die Freiheit bei der Geldwahl geben, kann eine Renaissance erleben.

Ein freier Markt für Geld

Das gibt Anlass für Optimismus. Denn die Beispiele zeigen letztlich nichts anderes, als dass es keine überzeugenden ökonomischen und ethischen Gründe gibt, warum der Staat das Geld monopolisieren sollte. Ganz im Gegenteil. Das staatliche Fiat-Geld ist mit schweren ökonomischen und ethischen Defekten behaftet. Glücklicherweise gibt es eine überzeugende Alternative zum staatlichen Fiat-Geld: einen freien Markt für Geld.

Ein freier Markt für Geld bedeutet, dass jeder die Freiheit hat, das Geld nachzufragen, das er für seine Zwecke am besten ansieht; und dass jeder die Freiheit hat, seinen Mitmenschen ein Gut anzubieten, das diese als Geld zu verwenden wünschen. Im freien Markt bestimmen die Geldnachfrager, was als Geld verwendet wird. Sie wählen dasjenige Gut als Geld, von dem sie meinen, dass es im Tauschverkehr mit anderen das Beste ist. Nehmen wir an, die Menschen entscheiden sich für Gold als Geld. Was wären die Folgen?

Die weltweit oberirdisch verfügbare Goldmenge ist fortan Geld – beziehungsweise das Gold, das in Form von Münzen und Barren, die für Geldzwecke verwendet werden, verfügbar ist. Die Güterpreise würden in Feinunzen, besser: in Goldgramm ausgezeichnet. Die Abkürzung dafür könnte AUR (vom lateinischen Aurum) sein, wobei 1 AUR 1 Gramm Feingold entspräche.

Goldlagerstellen entstehen, die den Geldverwendern Lager-, Zahlungs- und Versicherungsdienste anbieten. Dafür zahlen die Goldhalter den Goldlagerstätten eine Gebühr. In einem freien Markt für Geld gibt es natürlich Kredite, Derivate, Börsengänge, M&A-Aktivitäten und auch alles andere, was man heute kennt – auch mit Goldgeld lassen sich Lastschriften, Internet-Banking etc. in gewohnter Weise am Computer oder über das Smartphone elektronisch/digital abwickeln.

Anders als heute würde jedoch in einem freien Markt für Geld die Geldmenge durch die Kreditvergabe der Banken nicht mehr verändert. Es gäbe keine politisch erzeugte Inflation, keine Zentralbank, keine Zinsmanipulationen, und folglich auch keine monetär getriebenen Boom-und-Bust-Zyklen. Und weil die Kriegsführung sehr teuer, quasi unbezahlbar wird, würde auch die Welt friedlicher.

Übergang

Jetzt werden sie fragen: Wird der Staat (wie wir ihn heute kennen) mitspielen und einen freien Markt für Geld eröffnen? Die Antwort ist: sehr wahrscheinlich nicht. Der Staat (wie wir ihn heute kennen) und die Machtstrukturen, die er geschaffen hat, sowie die Sonderinteressengruppen, die sich dieser bedienen, stehen der Idee eines freien Marktes für Geld feindlich, zumindest aber ablehnend gegenüber. Der Weg zu einem freien Markt für Geld wird daher anders, gegen die Interessen des Staates und seiner Günstlinge verlaufen müssen. Wie?

Beispielsweise indem in den großen Staatsgebilden Absetzbewegungen in Gang kommen – weil Menschen ihr Selbstbestimmungsrecht einfordern, weil sie nach Besserung ihrer Lebensbedingungen streben –, es zu Sezessionen kommt und aus großen Staatseinheiten kleine souveräne Einheiten werden. Derartige Sezessionen befördern den Standortwettbewerb. Kleinere politische Einheiten müssen offen für Handel sein, müssen freundlich und friedvoll sein, damit sie für Kapital und Talente attraktiv sind.

Der Anreiz entsteht, Raum für die Lösung des Geldproblems zu schaffen, also einen freien Markt für Geld entstehen zu lassen – alle Regularien und Gesetze abzuschaffen, die einem freien Markt für Geld entgegenstehen (wie zum Beispiel die Mehrwert- und Kapitalertragssteuer auf Edelmetalle und Krypto-Einheiten). Entsteht irgendwo auf der Welt auch nur ein erfolgreiches Referenzprojekt, reicht das sehr wahrscheinlich schon aus, Nachahmer auf den Plan zu rufen, das Konzept eines freien Marktes für Geld, die Freiheit bei der Geldwahl weltweit zu verbreiten.

Was würde mit dem Fiat-Geld passieren, wenn ein freier Markt für Geld sich Bahn bricht? Nehmen wir an, die Menschen wählen Gold als Geld. Die Fiat-Währungen werten dann vermutlich ab gegenüber dem Gold, der Goldpreis in Papiergeldeinheiten steigt an. Wenn Gold Geldfunktion erhält, werden auch die Güterpreise in Goldeinheiten ausgedrückt, und sie steigen in dem Maße an, in dem das Goldgeld gegenüber dem Fiat-Geld aufwertet. Entsprechend verteuern sich auch die Güterpreise in Fiat-Geld gerechnet und bewirken eine Entwertung der Kaufkraft des Fiat-Geldes.

Entsteht ein freier Markt für Geld, wäre folglich zu erwarten, dass die Kaufkraft des Fiat-Geldes herabgesetzt wird. Das Fiat-Geld kann dabei (im Extremfall) sogar zum Totalverlust werden. Ein zweifelsohne unerfreuliches Resultat (und zugleich eine Warnung für alle, die auf Fiat-Geld setzen). Doch wie sähe die Alternative dazu aus?

Düster: Denn die großen Staatsgebilde werden versuchen, groß zu bleiben oder noch größer zu werden; ihr Fiat-Geldsystem ohne Rücksicht auf Verluste zu „retten“. Dadurch wird – und im Zitat von Ludwig von Mises wurde es bereits ausgesprochen – das Wenige, was von der freien Wirtschaft und Gesellschaft noch übrig ist, auch noch zertrümmert. An ihre Stelle tritt eine Kommandowirtschaft, in der letztlich der Staat alles und das Individuum nichts ist, eine Art Orwellscher Zuteilungsstaat, eine staatliche Bewirtschaftung, eine sprichwörtliche Versklavung der großen Zahl der Menschen auf der Welt.

Schluss

Sehr verehrte Damen, sehr verehrte Herren, der Weg zurück zu gutem Geld ist selbstverständlich möglich, und im Grunde ist er denkbar einfach und praktikabel, und er ist im allergrößten Interesse der überwältigenden Zahl der Menschen. Ein freier Markt für Geld ist jedoch mit dem großen Staat (wie wir ihn heute kennen) wohl nicht zu machen.

Wenn aber die Freiheit der Menschen erhalten bleiben beziehungsweise zurückerobert werden soll, dann kommt man nicht umhin, die Idee des Staates (wie wir sie heute kennen) neu zu überdenken: die Idee des zentralen Zwangs- und Gewaltmonopols mit der Idee der freiwilligen Kooperation zu konfrontieren; und der Idee der auf Freiwilligkeit beruhenden Privatrechtsgesellschaft, in der für alle das gleiche Recht gilt, zum Sieg zu verhelfen.

In Zeiten einer wirtschaftlichen und moralischen Gesellschaftskrise wie heute ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass immer mehr Menschen die Entschlossenheit und den Mut finden – um mit dem Königsberger Philosophen der Aufklärung, Immanuel Kant (1724-1804), zu sprechen -, sich ihres Verstandes zu bedienen und den Staat (wie wir ihn heute kennen) und sein Fiat-Geldsystem als das sehen, was es wirklich ist:

Zerstörer der Freiheit, des Wohlstands und des Friedens…

Geben Sie sich nicht der Illusion hin, das Fiat-Geld werde sich selbst zerstören und aus der Welt verschwinden. Weit gefehlt. Selbst eine Hoch- oder gar Hyperinflation macht ihm noch nicht den Garaus. Das Fiat-Geld, wenn die Menschen sich nicht von ihm verabschieden, ebnet vielmehr den Weg in die Tyrannei. Das ist seine wirklich dunkle Seite. Sie meinen, die bessere Idee eines freien Marktes für Geld wird sich nicht durchsetzen? Sie meinen, die Menschen werden sich weiter vom Staat (wie wir ihn heute kennen) und seinem Fiat-Geld täuschen und ausplündern lassen?

Ich möchte ihnen angesichts dieser Fragen das Bild einer sich füllenden Regentonne vor Augen führen. Bei Regen fließt immer mehr Wasser in die Regentonne; und bei Dauerregen gibt es irgendwann dann doch den einen Tropfen, der das Ganze überlaufen lässt.

Verstehen wir die Idee des freien Marktes für Geld und die Kritik am Staat (wie wir ihn heute kennen) als die Tropfen, die das Erkenntnisvermögen der Menschen wie eine Regentonne befüllen. Lassen sie uns daher mit dem nötigen Durchhaltevermögen für einen Dauerregen der guten Ideen sorgen, der das Fass sprichwörtlich zum Überlaufen bringen wird – der sozusagen das wahre Gesicht des Staates und seines Fiat-Geldes für alle sichtbar zutage befördert und unmissverständlich klarmacht: Freiheit braucht einen freien Markt für Geld, überlebt ohne ihn nicht.

Wir wissen zwar alle nicht, wie voll die Regentonne bereits ist. Vermutlich ist sie aber schon viel, viel voller, als die meisten von uns derzeit glauben. Vertrauen wir der Wirkung des Dauerregens der guten Ideen!

© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH

Der Beitrag ist ursprünglich bei den Goldseiten erschienen.