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Crédit Suisse im Überlebenskampf…

Von Lukas Hässig

Nach Trading auch Private Banking rot, Kunden nehmen reißaus, Bank zapfte Cash-Reserven an. Lehmann-Körner: Duo Katastrophale…

Die Credit Suisse befindet sich in vollem Existenzkampf. Sie rechnet mit 1,5 Milliarden Verlust im laufenden 4. Quartal, nach 4 Milliarden Minus im 3. Quartal.

Neu fällt auch die Vorzeige-Division Wealth Management in die Negativzone, dort geht die Kundenflucht weiter, wenn auch etwas abgeschwächt.

Deshalb die Notkapital-Übung. An ihrer Extra-Generalversammlung hinter verschlossener Tür erhält die Bank 4 Milliarden.

Das Geld der Eigentümer reicht nicht zum Überleben. Dafür musste die CS kürzlich zusätzliches Fremdkapital von 5 Milliarden aufnehmen.

Zinssatz: 9,5 und 7,75 Prozent, was zu gigantischen zusätzlichen Kosten führt.

Rund 400 Millionen Zins pro Jahr allein für diese zwei Bonds, das ist fast doppelt so viel, wie die CS an Dividenden ihren Aktionären ausschüttet.

Ohne die total 9 Milliarden Eigen- und Fremdkapital wäre die Bank am Ende. Jüngst hat sie in einer Aufdatierung eine aktuelle Lage skizziert, die an Dramatik nicht zu überbieten ist.

Faktisch fand Anfang Oktober ein „Bankrun“ auf die CS statt. Die Kunden stürmten die Schalter – nicht physisch, wie dies bei früheren Bankstürmen der Fall war, sondern elektronisch.

Erlebt habe man „deposit and net asset outflows in the first two weeks of October 2022 at levels that substantially exceeded the rates incurred in the third quarter of 2022“, schreibt die CS heute.

Die Lage wurde heikel. Die CS-Spitze im Headquarter am Paradeplatz sah, wie die Cash-Reserven schmolzen, Tag für Tag, Stunde für Stunde.

Die Geldabflüsse der Kunden „have led the bank to partially utilize liquidity buffers at the Group and legal entity level“, gibt die Führung zu.

Sprich: Sie musste sich an ihre Not-Reserven machen. Die CS sei „below certain legal entity-level regulatory requirements“ gefallen.

Softeis im Hochsommer (CS; IP)

Aber „the core requirements of the liquidity coverage ratio (LCR) and the net stable funding ratio (NSFR) at the Group level have been maintained at all times“.

Die Sätze haben es in sich. Die CS stand am Abgrund, ihre Liquidität sank dramatisch. Die Bank erlebte ihren UBS-Moment.

Vor 14 Jahren war die Nummer 1 nach gigantischen Wettverlusten mit US-Schrotthypotheken unter den nötigen Cash-Level gefallen – ihr Präsident musste das „Köfferchen packen“ und in Bern um Rettung betteln.

Die CS überlebte den Oktober-Tornado – mit Hilfe von Frischgeld aus dem Morgenland.

Doch der Druck war gigantisch. Die Liquiditätsrate hatte vor dem Orkan fast 200 Prozent betragen. Dann ging’s los:

„The Group’s average daily LCR for the fourth quarter to-date (as of November 18, 2022) was 140%, with spot rates broadly stabilizing between ~120% to ~130% since the October 27, 2022 results announcement.“

Ein Absturz von 191 Prozent LCR Anfang Juli auf 120 Prozent auf dem Tiefpunkt im Oktober bedeutet, dass sich der Cash der Bank in Relation zu den Verpflichtungen fast halbierte.

Ein Einbruch historischen Ausmasses. Die Escher-Bank stand schief.

Die Offenbarungen der CS erfolgen nicht zufällig genau heute. Man musste den Tag der Kapitalerhöhung abwarten – sonst wäre der Sturm auf die Konten wohl gleich wieder losgegangen.

Wie weit reicht der zugeführte „Sprit“ der Saudis und weiteren? Das ist die große Frage.

Je nachdem schafft die CS die Wende gerade noch, oder sie sinkt weiter und weiter.

„Lower deposits and assets under management are expected to lead to reduced net interest income and recurring commissions and fees“, skizziert die Führung einen heiklen „Vicious circle“.

Eine toxische Spirale nach unten.

„(T)his is likely to lead to a loss for Wealth Management in the fourth quarter of 2022.“

Private Banking rot, Investmentbank rot – dort schon länger.

Einzig die Schweizer Einheit schreibt wahrnehmbar schwarze Zahlen; das Asset Management als 4. CS-Division ist zu klein, um die Bilanz spürbar aufzubessern.

Um zu überleben, verkauft die CS alles, was sie an Verwertbarem noch hat; selbst zu Verlust-Preisen.

Die Beteiligung an der Fondsgesellschaft Allfunds stieß die Spitze beispielsweise zu einem Betrag ab, der zu 75 Millionen Verlust führte.

Dies allein im 4. Quartal. Nimmt man alle Allfunds-Abschreiber im laufenden Jahr, so kommt man auf über 300 Millionen Franken.

Für potenzielle Abnehmer der „Perlen“ ist die CS zum waidwunden Reh geworden. Das Edelhotel Savoy am Paradeplatz könnte sich in ein Schnäppchen verwandeln.

Schon passiert ist das in der Investmentbank, wo sich die US-Finanzfirma Apollo Teile zum Dumpingtarif unter den Nagel gerissen hat.

Und dafür erst noch von der CS jährliche Management-Gebühren einstreicht.

Nun warnt die CS-Leitung vor noch grösseren Verlusten bis Silvester.

„The Group’s actual results will depend on a number of factors including the Investment Bank’s performance for the remainder of the quarter, the continued exit of non-core positions, any goodwill impairments, and the outcome of certain other actions, including potential real estate sales.“

Alles unsicher, alles in der Schwebe. Ein Analyst der DZ Bank hatte die CS-Aktie auf 2,50 Franken runtergesetzt. Das war noch vor dem heutigen Schock.

Tristesse total: (U. Körner, Investorentag 27.10.22 London; CS)

Der 23. November 2022 hätte ein Wendepunkt für die CS sein sollen: Zerfall stoppen, Neuanfang markieren.

Es zeigt sich, dass dies reines Wunschdenken war. Die wichtige, historische Zürcher Grossbank, sie ist todkrank.

Die Schuld tragen nicht nur die Chefs der Vergangenheit.

Das frische Führungsduo Axel Lehmann als VR-Präsident und Ulrich Körner als operativer Konzernchef hat seit seiner Ankündigung von „New CS“ am 27. Juli dieses Jahres die einstige stolze CS zerlegt.

De-konstruiert.

In ihrer kurzen Ära – Lehmann seit Anfang Jahr, Körner seit Sommer – haben die Zwei 7,5 Milliarden Verluste zu verantworten.

Das übersteigt die 7,3 Milliarden, welche die CS in der Ära Rohner von 2011 bis 2021 gewonnen hatte.

Mit ihrer Ankündigung vor 4 Monaten, die riskante Investmentbank zu zähmen und Stücke davon zu veräussern, haben die Kapitäne der CS effektiv den Todesstoß als führende globale Finanzmacht versetzt.

Ihre Pläne sind und waren derart unausgereift, dass die „Haie“ in der Folge CS zerreissen konnten – sie schnappten sich die Perlen des „Big Swiss Lenders“.

Die „smarten“ Sharks befinden sich innerhalb und ausserhalb der Bank. Die CS verliert so die rentablen Teile ihrer einstigen weltumspannenden Investmentbank – zum Nulltarif.

Ein Abbau, der nötig war, wird zum Desaster.

Lehmann und Körner gehen als letzte Generäle der historischen Credit Suisse in die Annalen ein.

Ob sie noch einen Teil dieser Firma, die fürs Land von zentraler Bedeutung ist, retten können, bleibt die dürftige Hoffnung…

Der Beitrag ist ursprünglich hier erschienen.

In solchen Fällen lohnt sich ein Blick auf den Kursverlauf. Die folgende Abbildung zeigt die Kursentwicklung der Aktie auf Monatsbasis an der Schweizer Heimatbörse seit dem Jahr 2013. Auffallend ist das enorme Abwärtsvolumen, das die beiden jüngsten Kurseinbrüche begleitet hatte. Achten Sie auf die beiden roten Pfeile in der folgenden Grafik.

Übergeordnet fällt auf, dass die Aktie der Schweizer Großbank spätestens seit Anfang 2020 von den Bären „unter Wasser“ gehalten wird. Seither dominiert das Abwärtsvolmen (senkrechte rote Balken). Auch der MACD auf Wochenbasis zeigt nicht einmal die Spur einer Bodenbildung (blaue Markierung unten rechts). Mittelfristig sind das starke Warnsignale.

Ähnlich düster ist der Eindruck beim Blick auf den Quartalschart in der folgenden Grafik: Im April 2007 notierte die Aktie der Crédit Suisse noch bei unglaublichen 83,35 Franken! Schlusskurs vom vergangenen Freitag: 3,32 Fränkli. Das ist ein Verlust von 96 Prozent…

Doch so, wie sich die Aktie aktuell präsentiert, ist das noch nicht das Ende der Geschichte. Oder besser gesagt, es könnte durchaus das Ende der Geschichte sein – nämlich dann, wenn die Crédit Suisse in Konkurs geht. Was ein solches Ereignis für die Alpenrepublik mit ihrem weit überdimensionierten Finanzsektor bedeuten könnte, das mag man sich gar nicht ausmalen…

Ziemlich klar ist allerdings, was an den Edelmetall-Märkten los sein wird, sollte ein globaler Finanzgigant wie die Crédit Suisse in die Knie gehen. Schon heute ist physisches Silber kaum noch zu bekommen. Jedenfalls nicht zum „Spotpreis“, der allerdings nicht so heißt, weil er jeder Beschreibung spottet.

Derlei Trends könnten erst so richtig in Schwung kommen, wenn das globale Finanzkasino von einem Dominostein aus der Schweiz gesprengt werden sollte…

Daraus folgt: 2023 dürfte mindestens so turbulent werden wie das demnächst zu Ende gehende Börsenjahr.

Warum Sie davon in den Finanzmedien so gut wie nichts erfahren? Sagen wir mal so: Man wird sich hüten, den Finger in eine Wunde zu legen, die das Potential hat, den ganzen Budenzauber offenzulegen, der in unserem Finanzsystem seit Jahrzehnten veranstaltet wird.

Krankes Geld- kranke Welt. Das ist die Lage.

Genau das aber sollen die Menschen nicht verstehen…

Also genießen Sie die hoffentlich besinnliche Adventszeit…

Mehr dazu in der November-Ausgabe des Antizyklischen Börsenbriefs…