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Gebäudeenergiegesetz auf der Kippe: Die große Milchmädchenrechnung…

Die Bundesregierung treibt die Installation von Wärmepumpen massiv voran. Doch der Widerstand wächst, zuletzt auch beim Koalitionspartner FDP. Eine der Fragen: Ist diese Heiztechnologie im Vergleich zu modernen Gasheizungen überhaupt rentabel und senkt sie effektiv den Verbrauch von fossilen Energieträgern? Multipolar hat nachgerechnet und kommt auf erstaunliche Ergebnisse. Viel hängt davon ab, ob der geplante rasante Ausbau der erneuerbaren Energien kurzfristig überhaupt umsetzbar ist – woran erhebliche Zweifel bestehen – und ob der Strompreis vom Gaspreis entkoppelt wird.

Im April hatte das Bundeskabinett die zweite Novelle des Gebäudeenergiegesetzes beschlossen, das nach dem Willen von Wirtschaftsminister Robert Habeck noch vor der Sommerpause vom Bundestag bestätigt werden soll. Nach der Entlassung von Habecks Staatssekretär Patrick Graichen in dieser Woche steht dieser Termin aber auf der Kippe. Die FDP erklärte, man habe noch rund 100 Fragen an Robert Habeck: „Solange die nicht beantwortet sind, können die Beratungen über das Gesetz gar nicht beginnen“.

Die von Habeck gewünschte Gesetzesnovelle, die hauptsächlich die Rahmenbedingungen für den Einsatz von Heiztechnologien regelt, soll eigentlich ab 2024 gelten. Dazu gehört ein Verbot der Nutzung von Heizungen mit fossilen Brennstoffen ab 2045 sowie die Pflicht, dass jede neu eingebaute Heizung, in Neubauten wie in Bestandsgebäuden, ab 2024 mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen muss.

Die Regelung soll zwar „technologieoffen“ sein, doch praktisch sind Gasheizungen letztendlich ausgeschlossen. Denn diese dürfen nur noch installiert werden, wenn sie auf 100 Prozent Wasserstoffnutzung umrüstbar sind und es einen „rechtsverbindlichen Investitions- und Transformationsplan für Wasserstoffnetze“ gibt. Derartige Heizungen sind derzeit jedoch noch überhaupt nicht auf dem Markt erhältlich. Und ob die Gasnetzbetreiber bereit sind, ihre Gasnetze wasserstofffähig zu machen, ist auch fragwürdig. Denn dafür sind Investitionen von rund sieben Milliarden Euro notwendig, die letztendlich auf immer weniger Abnehmer umgelegt werden müssen, da die bisherigen Gaskunden auf alternative Heiztechnologien umstellen.

Es ist bereits seit 2020 erkennbar, dass immer mehr Hausbesitzer Wärmepumpen installieren. Dieser Trend hat sich 2022 sogar noch verstärkt.

Abbildung 1: Jährlicher Absatz von Wärmepumpen in Deutschland, Quelle: Bundesverband Wärmepumpe e.V.

Doch viele, die von einer modernen Gasheizung mit Brennwerttechnologie auf eine Luft-Wasser-Wärmepumpe umgerüstet haben, werden festgestellt haben, dass letztere sowohl in der Anschaffung als auch im Betrieb teurer ist.

Luft-Wasser-Wärmepumpen sorgen für höhere Heizkosten als Gasheizungen mit Brennwerttechnik

Der Preis für eine Kilowattstunde Gas lag für Endkunden Anfang 2021 noch bei ungefähr 5 Cent, aktuell, im April 2023 bei etwas über 10 Cent. Zwischendurch stieg er auf bis zu knapp 40 Cent an. Der Preis für eine Kilowattstunde Strom lag für Endkunden Anfang 2021 noch bei knapp 24 Cent, aktuell, im April 2023 bei knapp 32 Cent. Zwischendurch stieg er auf über 70 Cent an. Der Strompreis ist über das Merit-Order-Prinzip an den Gaspreis gekoppelt. Das bedeutet, dass auch Besitzer von Wärmepumpen von höheren Gaspreisen betroffen sind. Eine Entkoppelung wurde von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen bisher nur in Aussicht gestellt.

Wärmepumpen entziehen, je nach Wärmequelle, der umgebenden Luft, dem Boden oder dem Grundwasser Energie und können so im günstigsten Fall über das Jahr verteilt im Schnitt aus einer Kilowattstunde Strom zwischen 2,5 bis 3 (Luft-Wasser-Wärmepumpe), 4 (Sole-Wasser-Wärmepumpe) oder 5 Kilowattstunden (Wasser-Wasser-Wärmepumpe) Heizenergie erzeugen. Dieser Faktor wird auch Jahresarbeitszahl genannt. Je größer die Jahresarbeitszahl, desto höher sind die Investitionskosten für die Anschaffung und Montage der Wärmepumpe. Hinzu kommt, dass nicht überall der Boden oder das Grundwasser als Wärmequelle genutzt werden kann.

Aktuelle Gas-Brennwertkessel haben einen Wirkungsgrad von annähernd 100 Prozent. Bei einer benötigten jährlichen Heizenergie von beispielsweise 20.000 Kilowattstunden fallen bei dem aktuellen Gaspreis also circa 2.000 Euro Heizkosten an. Bei einer Luft-Wasser-Wärmepumpe mit einer Jahresarbeitszahl von 2,5 bis 3 liegen die Heizkosten bei derselben Heizenergie zum aktuellen Strompreis jedoch bei circa 2.500 beziehungsweise 2.100 Euro. Erst bei einer Jahresarbeitszahl von 3,2 sind die Heizkosten einer Wärmepumpe bei den aktuellen Strom- und Gaspreisen ungefähr vergleichbar mit denjenigen einer Gasheizung mit Brennwerttechnik.

Nun könnte man argumentieren, dass bei steigenden Gaspreisen Wärmepumpen in Zukunft rentabler sein werden. Doch es ist durchaus möglich, wie in den nachfolgenden Abschnitten dargestellt wird, dass der Strompreis noch auf Jahrzehnte abhängig vom Gaspreis sein wird, so dass bei steigenden Gaspreisen auch die Strompreise in die Höhe gehen werden. Daran ändert auch die CO2-Abgabe, die ab 2026 zwischen 55 und 65 Euro je Tonne Kohlendioxid liegen soll, nicht viel. Denn sie bewirkt eine Erhöhung des Gaspreises höchstens um 1,2 Cent pro Kilowattstunde.

Häufiger hört man das Argument, dass man mit Solarthermie oder Photovoltaik die Kosten einer Wärmepumpe senken kann. Doch das Gleiche gilt auch für Heizungen, die andere Energieträger verwenden. Denn mit Solarthermie kann man im Sommer die Kosten für die Warmwasseraufbereitung senken, und mit Photovoltaik die Stromkosten in der warmen Jahreszeit reduzieren oder die so erzeugte Energie sogar gewinnbringend verkaufen. Doch ausgerechnet im Winter, wenn die Heizenergie benötigt wird, sind die Erträge aus Sonnenenergie in unseren Breitengraden zu niedrig, um die Kosten für eine Wärmepumpe im Vergleich zu Heizungen mit anderen Energieträgern wirksam zu reduzieren.

Investitionsfalle Wärmepumpe

Wärmepumpen sind in der Anschaffung inklusive Montage deutlich teurer als Gasheizungen mit Brennwerttechnik. Eine Luft-Wasser-Wärmepumpe ist bereits mindestens doppelt so teuer wie eine vergleichbare Gasheizung. Wärmepumpen, die den Boden oder das Grundwasser als Wärmequelle verwenden, sind um mindestens das Dreifache teurer. Die staatliche Förderung für die Installation von Wärmepumpen liegt zwischen 25 und 40 Prozent und kompensiert damit nur einen Teil der Mehrkosten.

Doch für Eigentümer vornehmlich älterer Gebäude kommen noch weitere Investitionskosten hinzu. Denn im Gegensatz zu Gasheizungen, die auch mit herkömmlichen Heizkörpern effizient für ausreichend Wärme in den Wohnräumen sorgen können, benötigen Wärmepumpen aufgrund ihrer Funktion niedrige Vorlauftemperaturen und damit Flächenheizungen wie Boden- oder Wandheizungen sowie eine möglichst gute Isolation der Außenwände, um auf eine Jahresarbeitszahl von mindestens 2,5 zu kommen.

Die Nachrüstung beispielsweise einer Fußbodenheizung schlägt mit zwischen 30 und 70 Euro pro Quadratmeter zu Buche. Diese Investition ist förderfähig, wenn sie im Zuge der Installation einer Wärmepumpe erfolgt. Deutlich teurer ist eine Dämmung der Außenwände, des Dachs und der Kellerdecke sowie der Einbau von Fenstern mit Dreifachverglasung. Eine derartige Investition kann trotz Förderung leicht das Zehnfache der Kosten für die Nachrüstung einer Fußbodenheizung übersteigen.

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Riskanter Weg der Bundesregierung

Wer schon einmal in größere Projekte involviert war, weiß, dass der Flaschenhals bei der Umsetzung meist in einem Mangel an qualifizierten Fachkräften sowie in Lieferengpässen bei Zulieferern von Rohstoffen und Halbzeugen zu finden ist. Um in nur sieben Jahren so viel Windkraftleistung zu installieren wie in den gesamten 30 Jahren zuvor, bedarf es eines Mehrfachen der bisher eingesetzten Materialien und Fachkräfte. Die Arbeitskräfte müssen rekrutiert und ausgebildet werden, zusätzliche Fertigungshallen müssen errichtet werden. Mehr Straßen müssen gebaut werden, um die Windkraftanlagen an ihren vorgesehenen Standort zu bringen, mehr LKWs werden benötigt, um sie zu transportieren. Es bedarf eines Mehrfachen der bisherigen Monteure, welche die Anlagen installieren und warten. Stromleitungen müssen modernisiert und erweitert werden.

Bereits in der Vergangenheit haben deutsche Bundesregierungen hinsichtlich der Energiewende den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht. Statt den Ausbau der Erneuerbaren zu forcieren, um möglichst schnell deren Anteil bei der Stromerzeugung auf 100 Prozent zu steigern, haben sie Produkte wie Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen gefördert, die erst dann effektiv den Verbrauch fossiler Energien reduzieren, wenn diese Marke annähernd erreicht ist. Davon sind beispielsweise auch Gaskraftwerke und Gasheizungen, die Wasserstoff verbrennen können, abhängig. Denn die Erzeugung von Wasserstoff aus Wind- oder Solarkraft hat einen Wirkungsgrad von maximal 75 Prozent. Wird der Wasserstoff weiter zu Methan oder wieder in elektrische Energie umgewandelt, ist der Effizienzgrad noch geringer. Eine Umwandlung der erneuerbaren Energie ist also erst dann ökonomisch, wenn deutlich mehr davon produziert wird, als über das Stromnetz abgenommen wird.

Mit der geplanten zweiten Novelle des GEG schwenkt die bisherige Förderung von Wärmepumpen nun in eine Pflicht zu Heiztechnologien mit einem Anteil von mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energien sowie in ein Verbot der Nutzung fossiler Energie beim Heizen ab 2045 um. Dies erhöht damit noch einmal den Bedarf an elektrischer Energie. Wenn die ehrgeizigen Ziele der aktuellen Bundesregierung scheitern und der Ausbau der erneuerbaren Energien doch deutlich mehr Zeit beansprucht, als Habeck sich dies wünscht, dann verlängert sich die Abhängigkeit von Erdgas nicht nur um weitere Jahrzehnte. Auch Technologien, die Wasserstoff benötigen, bleiben auf lange Sicht überflüssig.

Fazit: Eine unsoziale Milchmädchenrechnung…

Die geplante Novelle des GEG trägt also ein nicht geringes Risiko in sich, die Abhängigkeit von fossilen Energien bei der Stromerzeugung eher zu verlängern als sie zu verkürzen – wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien sich nicht in dem Maße beschleunigen lässt, wie die derzeitige Bundesregierung es geplant hat.

Leidtragende einer solchen Fehlentwicklung wären insbesondere diejenigen Hausbesitzer, die auf eine teure Luft-Wasser-Wärmepumpe umgerüstet haben und die möglicherweise die gesamte Lebensdauer ihrer neuen Heizung höhere Betriebskosten zu tragen haben, als bei einer modernen Gasheizung angefallen wären. Sie könnten sich noch nicht einmal damit trösten, dass sie zur Reduktion der Treibhausgasemissionen beigetragen haben, da die Energie für den Betrieb ihrer Heizung letztendlich weiterhin aus Gas- oder gar Braunkohlekraftwerken stammen würde.

Aus ökonomischer und ökologischer Sicht macht zumindest die Umrüstung auf eine Luft-Wasser-Wärmepumpe derzeit wenig Sinn. Die Änderungen des GEG könnten jedoch dazu führen, dass Hausbesitzer sich aufgrund einer defekten Gas- oder Ölheizung gezwungen sehen, genau solch eine Heizung zu installieren. Die höheren Kosten, die dann durch die Anschaffung und den Betrieb entstehen, stellen eine zusätzliche finanzielle Belastung für die Eigentümer oder die Mieter dar, auf welche die Kosten umgelegt werden – was die Maßnahme sozial ungerecht macht. Denn nur die deutlich höheren Investitionen in Sole-Wasser-, Wasser-Wasser-Wärmepumpen oder in Hybridheizungen aus Gas und Wärmepumpe, eventuell gekoppelt mit einer Photovoltaikanlage, haben bei den derzeitigen Strom- und Gaskosten auf Dauer überhaupt eine Chance sich zu amortisieren.

Der vollständige Beitrag ist ursprünglich hier erschienen.

Über den Autor: Karsten Montag, Jahrgang 1968, hat Maschinenbau an der RWTH Aachen, Philosophie, Geschichte und Physik an der Universität in Köln sowie Bildungswissenschaften in Hagen studiert. Er war viele Jahre Mitarbeiter einer gewerkschaftsnahen Unternehmensberatung, zuletzt Abteilungs- und Projektleiter in einer Softwarefirma, die ein Energiedatenmanagement- und Abrechnungssystem für den Energiehandel hergestellt und vertrieben hat.